Warum Parteizugehörigkeit?

Parteizugehörigkeit als Chance

Im Rahmen von Diskussionen und Überlegungen, die sich um die Gestaltung der Zukunft unseres Landes drehen, wird immer wieder einmal die Rolle der politischen Parteien hinterfragt. Persönlich werde ich dann hellhörig, wenn mein Gegenüber die Bedeutung der so genannten grössten Partei, d.h. der nicht parteigebunden Bevölkerung, kurz: der Parteilosen herausstreicht. Worin liegt denn nun der vermeintliche Vorteil der Nichtzugehörigkeit zu einer Partei bzw. der allfällige Nachteil einer Parteimitgliedschaft?

Nach schweizerischem Demokratieverständnis halten wir zu Recht viel von der Unvoreingenommenheit bzw. Ungebundenheit unserer politischen Willensäusserungen. Die verfassungsmässig garantierten Individualrechte (Meinungs- und Informationsfreiheit zusammen mit der weltweit einzigartigen Vielfalt der politischen Rechte auf allen Ebenen) erfüllen uns mit Stolz und setzen aber gleichzeitig ein hohes Mass an staatsbürgerlichem Verständnis voraus. Es ist jetzt nicht der Ort, über die (immer noch meist sehr) mässige prozentuale Stimmund Wahlbeteiligung des Souveräns zu philosophieren und den schweizweit feststellbaren Umstand der schwierigen Rekrutierung geeigneter Kandidaturen für politische Ämter zu beklagen. Tatsache ist, dass es – allen Unkenrufen zum Trotz – immer wieder gelingt, willige und fähige (männliche und weibliche) Personen für eine Behördentätigkeit zu motivieren, zu wählen und vielfach im Amt zu bestätigen.

Wem gebührt nun dieses Verdienst, dass unsere direkte demokratische Demokratie in Gemeinde, Bezirk, Kanton und Bund immer wieder ihre politischen Ressourcen erneuern kann? Ganz klar: An den politischen Parteien, ob man sie nun mag oder nicht, kommt man in diesem Zusammenhang nicht vorbei, stellen sie doch in der überwiegenden Zahl aller Fälle das Sammelbecken für Ideen und Menschen dar mit dem Ziel, etwas für die öffentliche Sache zu tun. Selbstverständlich darf man sie bezüglich Existenzberechtigung und Tragweite in Frage stellen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass bei fiktiver Verbannung der Parteien das entstehende Vakuum eher früher als später durch (andere) Interessengruppen ausgefüllt werden würde, die sich um das Fortbestehen der politischen Strukturen bemühen würden bzw. müssten. Ob mit diesen (neuen) Gruppierungen die politischen Realitäten verändert würden oder – je nach Standpunkt – sogar verbessert würden, mag dahingestellt bleiben. Immerhin erscheint aufgrund dieser hypothetischen Betrachtung eine Erkenntnis als gesichert, dass nämlich ohne in irgendeiner Form „organisierte politische Vereine“ eine Weiterentwicklung des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Alltags kaum denkbar wäre.

Die Parteien sorgen aber nicht nur – aus ihren eigenen Reihen oder aus dem Umfeld ihnen nahe stehender Kreise bzw. Interessenten – für personelle Blutauffrischung in den Behörden, Räten und Kommissionen, sondern sie bemühen sich auch immer wieder um die Akzentuierung gesellschaftlicher Schwerpunkte. Dazu sind sie aufgrund ihrer organisatorischen und fachkompetenten Infrastruktur zweifellos besser in der Lage als andere nur lose miteinander verbundene Gruppierungen, auch wenn sich solche mitunter hinter wissenschaftlichen Koryphäen scharen. Die Geschichte des Rechtsstaates Schweiz zeigt, dass es die (staatstragenden) Parteien waren und sind, welche nachhaltig die Schwergewichte in unserem Land gesetzt haben und noch setzen werden. Wenn also politisch interessierte Individuen – und wer will letztlich nicht dazu gehören – in Gemeinde, Bezirk, Kanton oder Bund etwas bewegen möchten, finden sie die ihnen zusagende Partei, bekennen Farbe und werden Parteimitglied. Diese Zugehörigkeit heisst im Übrigen keineswegs, dass wir „automatisch“ mit jeder Parteiparole oder personellen Entscheidung einverstanden sein müssen. Ein gewisser Freiraum darf und soll durchaus bestehen; es ist jedoch erwiesen, dass die in unserem Land wirkenden Parteien (die meisten über 100 Jahre alt und mit einer sehr bewegten Geschichte) am besten in der Lage sind, den politischen Willen des Einzelnen zu bündeln und die Geschicke auf allen Ebenen nachhaltig zu bestimmen. Die Wahrscheinlichkeit, grössere Veränderungen einzuleiten, nimmt ausserhalb des Parteienspektrums rapide ab.

Fazit:

Eine Parteimitgliedschaft ist demnach eine durchaus prüfenswerte Angelegenheit und sollte vermehrt als Chance für die parteilos bleibende Bevölkerung wahrgenommen werden.

Renzo Schüepp, Embrach
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